„Ich bin bei vielem so diszipliniert, warum schaffe ich das beim Essen nicht?“ Diesen Satz kennen viele, die schon Erfahrung mit dem Abnehmen gemacht. Warum können die meisten Menschen den süßen Verlockungen nicht widerstehen? Warum kann man Schokolade nur schwer ausweichen und wieso fällt es schwer, sich beim Essen zu beherrschen? Sozialpsychologen und Gehirnforscher haben wissenschaftliche Erklärungen dafür gefunden.
Mit der Brechstange
Wer etwas Neues erlernen möchte, weiß und spürt, dass die Brechstange die falsche Methode dafür ist. Neurowissenschafter wissen: Lernen muss Spaß machen. Das gilt auch fürs Abnehmen. Das heißt nicht, dass eine Gewichtsreduktion immer leicht und mit Freude gehen muss. Eine Ernährungs- und Bewegungsumstellung wird stets von leichten und schwierigen Phasen begleitet. Wenn Sie das akzeptieren, haben Sie schon mal einen entscheidenden Startvorteil.
Marshmallow-Test
Der Sozialpsychologe Walter Mischel führte Ende der 1960er Jahre an vierjährigen Kindern den sog. Marshmallow-Test durch. Den Kindern wurde in Einzelsitzungen ein Marshmallow angeboten, den sie entweder essen konnten oder – wenn sie 15 Minuten lang darauf verzichteten – einen zweiten Marshmallow dazu bekamen. Anhand dieses Tests und vielen weiteren Versuchen in den Folgejahren konnten zwei Feststellungen gemacht werden: Erstens aßen fast alle Kinder lieber den einen Marshmallow, als auf den zweiten zu warten. Zweitens konnte in Nachuntersuchungen ein Zusammenhang zwischen der Länge der Wartezeit und der schulischen sowie sozialen Kompetenz in späteren Jahren nachgewiesen werden. Je länger ein Vierjähriger der Versuchung widerstand, desto höher waren die schulische Leistungsfähigkeit und der Umgang mit Stress als Heranwachsender.
Überschätzte Willenskraft
Der Marshmallow-Test zeigt, dass die Willenskraft häufig überschätzt wird. Gerade beim Abnehmen helfen die richtige mentale Einstellung und ein guter Umgang mit Verlockungen. Man ist sozusagen der Reiter auf einem wilden Pferd, der dieses zu bändigen versucht. Ganz lässt sich das Pferd nicht zähmen, manchmal galoppiert es wild, manchmal lässt es sich streicheln.
Beherrschung und Hingabe
Ist Disziplin beim Abnehmen hilfreich? Niemand kann und will sich permanent beherrschen, beim Essen schon gar nicht. Sozialpsychologe Roy Baumeister von der State University of Florida sagt: „Wir verbringen heute täglich 4 – 5 Stunden damit, uns zusammenzureißen und unser Verhalten zu kontrollieren. Das führt dazu, dass das Gehirn ermüdet.“ Wie ein Muskel, der nach einer gewissen Anstrengung ermüdet, sehnt sich das Gehirn nach Regeneration und verlangt nach einem Ausgleich, z.B. in Form von „Nicht-Disziplin“.
Finden Sie die Balance
Damit wird eines ganz klar: Das Wissen alleine um gesundes Essen hilft nicht, sich gesünder zu ernähren. Wichtig ist die richtige Balance zwischen Disziplin und Freiraum. Wer diesen Ausgleich für sich persönlich findet, hat langfristig nicht nur mehr Chancen auf einen Abnehmerfolg, sondern mehr vom Leben.